
und wir verabschieden uns mit dem vagen Gefühl,
überlebt zu haben ohne zu wissen wozu.
Cristina Peri Rossi
Vor dem Spiegel bleibt der Blick stehen, der
alles sagen möchte
durchdringen möchte die kristallhelle Iris, die Hornhaut.
Die Augen sind das Sehen nicht mehr gewöhnt, sie müssen
Wurfpfeilen ausweichen
Im Spiegel kehrt das Bild von jemandem zurück,
der etwas vergessen hat,
und ewig scheint
alles allzu ruhig
Der ausgeheilte Rücken ist unzufrieden,
wie kann sich eine Leiste beibringen, aufrecht zu bleiben,
wenn sie für ihre Krümmung eine eigene Logik entwickeln muss,
eine Krücke, um die Schwäche zu halten
Man muss dem Spiegel ins Gesicht schauen
und wiederholen, es ist gut so
der Winkel war weder normal noch schön
Die Hände heben und halten,
tatsächlich so mühelos halten
Sich von der Überlebenden des Krieges überzeugen lassen,
die sich darin spiegelt,
die kein Drama mehr braucht
und die, wenn sie will,
sterben kann.
Aus dem venezolanischen Spanisch von Carolin Callies
und Geraldine Gutiérrez-Wienken.
*
y nos despedimos con la vaga sensación
de haber sobrevivido aunque no sabíamos para qué.
Cristina Peri Rossi
Permanece ante el espejo la mirada que todo
lo quiere decir
penetrar iris cristalino córnea
no están acostumbrados los ojos a ver sin esquivar dardos
En el espejo se devuelve la imagen de alguien
que olvidó
y luce serena
quieta además
Abruma la espalda curada
cómo aprende un lomo a estar derecho
si hizo de su encorvarse una lógica
una muleta para sujetar la insuficiencia
Hay entonces que mirar al espejo de frente
y repetir que así está bien
que no era normal ni bella la ojeriza
Alzar los brazos y sostenerlos
de hecho sostenerlos sin demasiado esfuerzo
Convencerse de la sobreviviente de guerra reflejada ahí
que ya no necesita épica
y puede –si quiere, solo si quiere
morir.
©Cristina Gutiérrez Leal: Estatua de sal y otros poemas. Dcir, 2017.
Cristina Gutiérrez Leal, geb. 1988 in Coro, Lyrikerin und Essayistin, studierte Iberoamerikanische Literatur an der Universidad de Los Andes, Venezuela. Aktuell ist Doktorandin an der Fakultät der Literaturwissenschaft der Universidad Federal de Río de Janeiro. Sie ist Co-Editorin von Babélicas. Ihr Lyrikdebüt Estatua de sal (Dcir, 2017) gewann den »Premio José Antonio Ramos Sucre« (2015).